Eins 18. Oktober 2017 – Kategorien: Karins Blog
«Happy Birthday to you»
Mein Sohn sitzt auf meinem Schoss und grinst in die Runde. Ich lächle. Noch nicht lange ist es her, als er in meinem Bauch gezappelt hat, und jetzt ist er zu einem kleinen Menschen herangewachsen. Und es ist schon fast so, als wäre er schon immer dagewesen. Er bestaunt die eine Kerze auf dem Kuchen und lauscht unserem Singen, ohne eine Ahnung davon zu haben, was hier genau vor sich geht. Wenn er doch nur den Kuchen fassen könnte. Oder zumindest das flackernde Kerzenlicht.
Vor mir spielt sich ein Film ab. Bilder unseres ersten gemeinsamen Augenblicks. Unserer ersten Berührung. Bilder unserer ersten gemeinsamen Nacht, die der kleine Babyboy auf meiner Brust verbracht hat und in der ich die Augen nicht von ihm abwenden konnte. Bilder des Moments, als er und sein Schwesterchen einander zum ersten Mal in die Augen geschaut haben. Bilder davon, wie mein Mann ihn übervorsichtig in seinen Armen gewiegt und seinen Kopf geküsst hat.
«Zum Geburtstag viel Glück»
Wie schnell das Jahr verging. Wie oft ich das Gefühl hatte, dass es einfach nicht vorwärtsgeht. Wie berührend und voller Liebesglück es doch war. Wie oft ich aber auch am Ende meiner Kräfte war. Und bereits heute habe ich vergessen, wie es sich wirklich angefühlt hat, als ich mit dem einwöchigen Baby nach Hause kam und meine mich vermissende 1,5-jährige Tochter, eine Liebesbeziehung, die gepflegt werden will, der ganze Haushalt, ein neuer Alltag und monatelanger Schlafentzug auf mich warteten. Ein Wechselbad aus Glückseligkeit und Überforderung. Tränen voller Liebe. Tränen voller Verzweiflung. Voller Freude. Verzückung. Am Rande des Wahnsinns. Unbeschreibliches. Unerklärliches. Hallo und herzlich willkommen in der Welt des frischgebackenen Mutterdaseins.
«Tanti auguri a te»
Meine Tochter klatscht freudig in die Hände und geniesst es, die grosse Schwester des Geburtstagskindes zu sein. Solange ihr Bruder sie nicht erbarmungslos an den Haaren zieht oder ihr die Spielsachen aus den Händen reisst. Harmonie pur. Immerhin für ein paar Minuten. Mein Herz quillt fast über vor Liebe. Aber auch vor Stolz. Ich habe doch einiges geleistet in den vergangenen Monaten. Mich bemüht, das Gleichgewicht zwischen all meinen Verpflichtungen, Arbeiten und all unseren Bedürfnissen tagtäglich auszubalancieren und immer wieder neu abzuwägen. Mal erfolgreich, mal halt eben nicht. Dafür bin ich aber inzwischen verdammt schnell im Wechseln von übervollen Windeln, während ich meinen zappelnden Jungen davon abhalte, ständig in sein eigenes «Geschäft» zu fassen, und gleichzeitig meiner Tochter erkläre, dass sie vor dem Mittagessen (das währenddessen auf dem Herd brutzelt) kein Eis essen darf, worauf sie sich wütend und schreiend an meinem Bein festklammert.
Selber Kinder zu haben, hat mir ein anderes Verständnis gegeben. Sei es zum Leben. Sei es zur Liebe. Sei es für alle Eltern, meine eigenen Eltern und die eigene Kindheit. Ich beginne, so manches zu verzeihen. Manches weniger zu hinterfragen. Manches beschäftigt mich jetzt aber auch mehr. Denn ich habe heute für zwei weitere Menschen Entscheidungen zu fällen, Verantwortung und Konsequenzen zu tragen. Zusammen mit meinem Mann natürlich. Der mich übrigens grad mit Tränen in den Augen anschaut. Auch bei ihm scheint ein Film der Erinnerungen vor seinem inneren Auge abzulaufen. Gemeinsam haben wir Leben erschaffen. Und es bis heute wohl gar nicht so schlecht hingekriegt (fragt mich nochmals, wenn ich mich dann wieder einmal am Rande des Wahnsinns befinde und mir meine Augen mit dunklen, unüberschminkbaren Ringen im eigenen Spiegelbild erbarmungslos entgegensehen). Es wird geklatscht. Der Kuchen wird verteilt. Die Kinder lachen und sind glücklich. Eins plus eins ergab vier. Und Liebe. Ganz viel Liebe.